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Leseprobe:
 
 
"Ich will nicht weg!"

Ich sah sie erstaunt an. Ungläubig. Hatte ich da eben richtig gehört? Ein Jahr? Ein ganzes Jahr? Ich sah von einem zum anderen. Von Vati, der gerade das Ungeheuerliche gesagt hatte, zu Mutti, die mir ein wenig verlegen schien und mich nicht anblickte.
"Ein Jahr?", fragte ich nach. "Ein ganzes Jahr?"
Diesmal nickten beide, im gleichen Rhythmus.
"Aber das geht nicht", sagte ich sofort, "ich geh hier zur Schule! Ich hab hier meine Freunde, meine - ". Mehr fiel mir im Moment nicht ein.
"Es ist ja nur ein Jahr", versuchte Mutti zu trösten. "Wenn du wieder kommst, sind deine Freunde immer noch da und die Schule steht auch am gleichen Platz."
Das war nun wirklich zu viel. Warum ich schrie, als wären die beiden schwerhörig, weiß ich nicht, ich schrie jedenfalls: "Das macht schön ohne mich. Ich komm da nicht mit. Außerdem - ich bin Vierzehn, ich kann gut alleine bleiben, mich allein versorgen. Ich kann mir Bratkartoffeln machen, Rühreier, Pellkartoffeln mit Quark, Eierkuchen, Grießbrei und - "
"Bevor du eine ganze Speisekarte aufzählst - ", unterbrach mich Vati, "es bleibt dabei. Wir Drei ziehen für ein Jahr nach Norwegen, ich hab dort eine gut bezahlte Arbeit angeboten bekommen, find dich also damit ab."
Meine Mutter fügte hinzu, und das war noch schlimmer: "Wie du dir das denkst, allein, so unselbständig wie du noch bist. Du machst doch nie was allein, immer nur mit deinen Freunden und wenn die was sagen, läufst du mit. Und so fährst du eben schön mit uns mit."
"Nienienie. Ich will nicht weg!", schrie ich, rannte raus, knallte die Tür hinter mir zu, lief in mein Zimmer und schlug die Tür ebenso laut zu.
Ich schmiss mich aufs Bett und heulte. Jungs in meinem Alter heulen eigentlich nicht mehr, so sagen jedenfalls alle, aber ich konnte nicht anders. Ich heulte Rotzblasen.


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