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13.7. Manfred:
Die blaue Stunde, die berühmte, bricht an. Es ist unglaublich, aber wahr.
Ich bin in Kanada, irgendwo, etwa 350 Kilometer nördlich von Toronto. Es ist früh 5.00
Uhr Ortszeit, genauer gesagt, fünf Minuten nach Fünf. Fremde Vögel singen etwas zaghaft,
die Dämmerung beginnt, dichter Morgennebel liegt über dem verschlafenen Land. Auf der
Toilette bin ich schon gewesen, d. h. hinter einem dichten Busch hier ganz in der Nähe. Der
Ort, ich muss erst auf der Karte nach dem Namen suchen, der Ort oder besser die Orte liegen
sehr weitläufig neben der Straße. Wahrscheinlich stehen wir mitten in der Siedlung. Die
Natur reicht nämlich bis unmittelbar an die Häuser heran. Die Hauptstraße, also der Highway,
verläuft etwas entfernt, nur ab und zu sind Fahrgeräusche von dort zu hören.
Der erste Schreck ist auch schon überstanden. Als ich aufstehen und die Autotür, die für
die Nacht sicherheitshalber von Innen verschlossen war, öffnen wollte, ging brüllend die
Alarmanlage des Leihwagens los. Das muss man sich hier in dieser ruhigen Gegend einmal
vorstellen! Bekam das Problem aber schnell unter Kontrolle, wobei es gar nicht so einfach ist,
in einem völlig fremden Auto in der Eile die richtigen Knöpfe zu finden. Hoffe nur, dass nicht
irgendeiner der entfernt wohnenden Leute die Polizei gerufen hat. Dann machen wir gleich
die erste Erfahrung mit der hiesigen Staatsmacht.
Ereignisreiche Stunden bzw. Tage liegen hinter uns. Vor zwei Tagen feierte Sohn Fritz
seine Hochzeit, uns blieb somit gedanklich wenig Zeit für dieses Land. Bereits um 6.00 Uhr
früh standen wir gestern trotzdem reisebereit auf dem Berliner Flugplatz. Kaum angekommen
und sich etwas umgesehen, macht Monika plötzlich einen Luftsprung und kommt auf mich
zugerannt. Was ist nur passiert, denke ich besorgt. „Unser Flug ist gestrichen, unser Flug
ist gestrichen!“ Schöne Überraschung in der Morgenstunde. Alle Abflugzeiten auf der
Anzeigentafel strahlen uns an, ausgerechnet unser Zubringerflug nach Warschau blinkt.
Cancelt, cancelt, cancelt. Von Warschau aus sollten wir mittags nach Toronto starten. Unsere
schon seit langer Zeit sorgfältig geplante Tour durch dieses riesige Land drohte frühzeitig
zu platzen. Aber wie es so ist, manchmal regelt sich alles zur Zufriedenheit. Wir blieben erst
einmal ruhig, gingen dann zur Lufthansa als Partner von LOT und schilderten das Problem.
Die Dame am Schalter war mindestens 30 Minuten beschäftigt, fand dann einen Ersatzflug
nach München, von wo wir mit Canada Air weiterreisen konnten. So waren wir letztlich sogar
eine Stunde früher als ursprünglich über Warschau geplant, in Toronto angekommen.
Dort wartete dann die Aktion Leihwagen. Die Angelegenheit ging zwar schnell, aber völlig
unpersönlich vonstatten. Wir erhielten lediglich eine Nummer, gingen auf den übervollen
Parkplatz mit hundert oder gar zweihundert Wagen der Vermietfirma. Ein dort tätiger Mensch
suchte uninteressiert herum, zeigte, wie mir schien, wahllos auf ein Auto und verschwand.
Es handelte sich um einen Wagen amerikanischer Bauart, ich konnte nicht einmal den
genauen Typ erkennen. Er war jedenfalls recht eng. Wir hatten ja drei große Gepäckstücke
unterzubringen, dazu einen kleinen Rucksack und meine unentbehrliche blaue Reisetasche,
die mich nun schon seit 25 Jahren auf allen Reisen begleitet. Das Autochen war mehr als gut
gefüllt. Vor einer Schranke gab es eine Art Endabnahme und die dort tätige Angestellte, eine
schwarze Matrone, verschwand plötzlich mit unseren Papieren. Wenig später drängelte sich
ein anderes Fahrzeug dicht an uns heran. Die Lady erschien wieder und öffnete ohne ein Wort
unsere Gepäckklappe. Als sie begann, einfach einen Koffer herauszuheben, missfiel mir die
Sache schon sehr. Dann schleppte sie gar das Gepäckstück zum anderen Auto. Höchste Zeit,
energisch einzugreifen! Nach kleinem Gezerre begriff ich endlich, dass wir lediglich den
größeren und geräumigeren Wagen bekommen sollten.
Erst gegen 18.00 Uhr konnten wir den riesigen Flughafen verlassen und unter den
zahlreichen kreuz und quer über Unter- und Überführungen verlaufenden Straßen die für
uns richtige suchen. Die führte dann aus der Stadt und in Richtung Norden ins weite Land.
Allerdings herrschte gerade Berufsverkehr und die Einheimischen beeilten sich, auf dem
anfangs achtspurigen Highway schnell vor den häuslichen Fernseher zu kommen.
Es wird heller, ich kann die Umgebung besser erkennen. Wir stehen neben einem
Gebäude, das ein Laden sein könnte. In der Nähe sind große offene Zelte aufgebaut, vielleicht
für einen Markt. In den Zelten befinden sich Tische und Bänke. Also werden wir gleich, ganz
gemütlich am Tisch sitzend, unser erstes Frühstück in Kanada einnehmen. Ach, es ist ein
angenehmes Gefühl, gut im Auto geschlafen zu haben. Jetzt bin ich wirklich angekommen.
Über die bisher zurückgelegten dreihundert Kilometer bis hier in die Gegend von North Bay
gibt es wenig zu sagen. Wir beschäftigten uns hauptsächlich damit, einen Platz für die Nacht
zu finden. Ursprünglich wollten wir ein Hotelzimmer nehmen, später suchten wir ein Motel,
schließlich fuhren wir ausgeschilderte Zeltplätze an. Es war alles vergeblich. Dabei hatten wir
gleich am Beginn die Möglichkeit in einem Motel zu schlafen. Da man aber weit über 100
kanadische Dollar (CAD) pro Nacht verlangte, fuhren wir leichtsinnigerweise weiter. Und
wie es so ist, Fluch der bösen Tat, in den nächsten hundert oder mehr Kilometern fanden wir
nichts mehr. Die Zeit lief uns schließlich davon, wir folgten sogar meilenweit irgendwelchen
Hinweisschildern, leider war alles vergebens. Zeltplätze und Motels waren personell nicht
mehr besetzt. Nach sieben oder acht vergeblichen Versuchen gaben wir auf und bereiteten uns
auf eine ungemütliche Nacht im Auto vor. Zusätzlich beunruhigte mich die unmittelbare Nähe
zu North Bay. Schließlich befindet sich in der Gegend der bestimmt schwer abgesicherte
Standort der amerikanisch/kanadischen Weltraumüberwachung, das berühmte North
American Aerospace Defense Command. Bis 2006 soll sich alles atombombensicher unter der
Erde befunden haben, danach baute man offenbar auch oberirdisch. Bereits im 2. Weltkrieg
war der Ort eine Legende und diente als Zwischenstopp für die Lancaster Bomber auf ihrem
Weg in Richtung Europa.
Unser ausgeliehenes Auto habe ich mir inzwischen etwas näher angesehen, in aller Ruhe.
Der Kofferraum lässt sich nur mit dem Schlüssel öffnen, bei der Zentralverriegelung verstehe
ich deren Funktionsweise noch nicht. Mal öffnen sich die Türen, ein andermal wieder nicht.
Müssen wir uns vorläufig auf den normalen Schlüssel verlassen. Der Hyundai ist fabrikneu,
bei Abfahrt hatte er 120 Kilometer auf dem Tacho. Für uns ist das prinzipiell gut, wir
wollen aber circa 17.000 bis 18.000 Kilometer damit fahren. Ob da nicht zwischendurch
eine Inspektion notwendig ist, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall sind die Reifen neu und
damit hoffentlich bestens für die zu erwartenden Schotterstrecken geeignet. Auf dem
Nummernschild ist als erstes der Provinzname, also Ontario, vermerkt dann die Buchstaben
BKAH, H wie Helmecke, gefolgt von einer Krone und den Ziffern 718. Yours to discover
steht unten darunter. Es ist also in anderen Provinzen sehr gut zu erkennen, dass wir aus
Ontario kommen. Im Yukon Territorium oder im Nordwest Territorium werden sie nicht
schlecht staunen, wenn wir mit einem normalen Fahrzeug aus Ontario dort aufkreuzen. . .
19. 7. Monika:
Meine heutige morgendliche Droge gab es in einem Café am Wege. Zuvor
warben mindestens acht Schilder, die die Waren anpriesen, wie Pie und selbstgebackenes
Brot, Eis – man konnte da einfach nicht vorbeifahren. Ein ganz neues Haus in Blockbauweise
und einer überdachten Veranda, die von großen schön gemaserten Holzstämmen gestützt
wurde, davor ein liebevoll geschmückter Platz. Drei riesige trockene Bäume mit den in
Norwegen so besonders geschätzten Ausbeulungen lagen als Dekoration herum, daneben eine
Metallbank mit dem Bild einer kanadischen Wasserlandschaft. Verschiedenfarbige Plastik-
Figuren flatterten im Winde, große Blumentöpfe mit Fähnchen, überall war etwas zu sehen,
auch wenn nicht alles dem eigenen Geschmack entsprach. Man hatte sofort das Gefühl, hier
hat jemand Lust, sich mit Gästen abzugeben. Drinnen eine freundliche Bedienung, ein großes
Angebot an Backwaren, ein größerer Raum mit praktischen Holzstühlen und –tischen. Ich
trank meinen Kaffee, aß dazu ein Stück schweren Kuchens, voll mit Nüssen und Früchten.
Ma stellte sich ein Eis in der Waffel zusammen, als Krönung einen Klecks Sahne darauf,
was die Serviererin erst gar nicht verstand. Als er versuchte weiter zu erklären, zeigte sie
endlich eine Sahnespraydose – also das. Das war offenbar so ungewöhnlich, dass sie es laut
an andere im Raum befindliche Personen weitergab, woraufhin eine farbige Dame und ihr
etwa fünfjähriges Mädchen ihm nach draußen folgten, sich staunend vor ihm postierten und
ihn anstarrten. Ma saß auf einer Bank auf der Veranda, ließ sich durch die Neugierigen nicht
wesentlich stören.
Die Toilette erwies sich als ähnlich interessant und liebevoll gestaltet wie der Vorplatz.
Die Waschschüsseln bestanden aus Messing mit aufgesetzten Fischfiguren, die Hähne waren
ebenso aus Messing und der Metallseifenbehälter hatte eingestanzte Bilder kanadischer Natur.
Über der Papierrolle prangte ein metallener Elch.
Die Fahrt ging weiter, durch ausgedehnte Wälder, Hügel und halbhohe Berge. Am
Wegrand wuchsen immer wieder Weidenröschen wie in Norwegen und wie dort färbten
sie den ganzen Randstreifen lila. Die Sonne schien den ganzen Tag, wie auch an den
Tagen zuvor. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, der Regen war nur zu dem
Zweck „geschickt“ worden, dass wir diese Leute aus Vancouver dort auf dem Zeltplatz trafen.
Der freundliche Michael hatte unsere Nachbarn, die auch in einem kleinen Zelt schliefen,
ebenso wie uns eingeladen, doch nur wir waren seiner Einladung gefolgt.
Ein Bär lag schlafend am Straßenrand. Schlafend? Es gab auch eine scharfe Bremsspur,
also ruht er lange. Wir überprüften lieber nicht, ob der arme Teddy tatsächlich schläft oder
nicht. Was schrieb Dawn in ihrer E-Mail, als sie uns zu sich einlud? Wir sollen ja nicht
mit Bären Freundschaft schließen wollen, sie wären stets hungrig und sehr schnell. Wir
fuhren also weiter, natürlich nach einem Foto. Können dann in der Heimat das Opfer als
schlummerndes Untier verkaufen! Steigt sofort der Erlebniswert unserer Reise...
22.7. Manfred:
Jetzt rollen wir wieder auf dem Alaska Highway gen Norden. Haben die
wesentlichsten Vorräte eingekauft und wollen noch bis Whitehorse. Rund 600 Kilometer
liegen vor uns. Der 60. Breitengrad ist ebenfalls überschritten, für die Einheimischen eine
Art Wasserscheide darstellend. Nördlich desselben sind die Löhne höher, leider auch die
Preise. Und letzteres traf uns unvorbereitet. In der etwas seltsamen Kaufhalle (wesentlich
spartanischer eingerichtet als die vorhergehenden Walmart Märkte) erstaunten uns die Preise.
Ein kleiner Blumenkohl war z.B. für stolze 8 CAD, Marmelade für mehr als 5 CAD und ein
Liter Milch für 4 CAD erhältlich. Wir erstanden nur das Nötigste, hoffen auf einen Großmarkt
in der nicht mehr fernen „Großstadt“ Whitehorse. Allerdings ist Watson Lake auch ein
bedeutsamer Ort. Dort beherrschen nämlich sogar die Kassiererinnen die „Weltsprache“
Deutsch. Die gute Frau, vor 13 Jahren in diesen fernen Winkel übergesiedelt, hörte sich
anscheinend völlig unbeteiligt unsere unbedachten Kommentare zu den kanadischen Preisen
an. Danach klärte sie uns in bestem Deutsch über die hiesige Preisgestaltung auf. Der Drang
sich erkennen zu geben (die Frau stammte aus Braunschweig, also aus unserer Nähe!), war
wohl doch zu stark. Nur gut, das wir vorher nicht unflätig waren, was man, wie ersichtlich,
auch im fernsten Ausland nicht sein sollte!
Nicht ganz stubenrein waren allerdings meine Äußerungen, als ich im Schilderwald
(eigentlich die Attraktion des Ortes) das dafür schon während der Vorbereitung der Tour
vorgesehene Schild mit unserer Genthiner Heimadresse, annageln wollte. Es war einfach
nirgends zu finden. Unser Auto sieht hinter den Vordersitzen ohnehin schon wie ein
mittelalterlicher Marketenderwagen aus und müsste von der Frau einfach mal aufgeräumt
werden! Nachdem die Schuldfrage geklärt war, blieb uns nur, die tausende Mitbringsel
unserer Vorgänger zu studieren. Wer schon alles auf seiner Reise auf dem Alaska HWY
dort vorbeigekommen ist und sich an den extra dafür aufgestellten Pfählen verewigt hat!
Ein scheinbarer Urtrieb des Menschen, sich wenigstens einmal irgendwo oder irgendwie
unsterblich zu machen (und sei es nur durch ein mitgeschlepptes Orts- oder Namensschild),
wird offenbar befriedigt und hat zu diesem unübersehbaren Schilderwald geführt. Sollen sie
doch lieber Bücher schreiben!
Ach ja, ein schönes praktisches Geschenk bekamen wir auch noch in diesem ersten Ort
im Yukon Territorium. Im hiesigen Liquor Store, wir mussten einen Karton kanadisches Bier
für unser abendliches Lagerfeuer nachladen, bekam jeder eine dunkelblaue Baseballmütze,
gesponsert von der Yukon Kommune. Prima, werden sich die Mücken ärgern, dass ihr
bevorzugter Landeplatz auf meinem kahlen Hinterkopf versperrt ist. Im Prinzip scheint sich
aber unsere Insektenabwehr mittels Vitamin B, genau so gut wie in Lappland während unserer
Radtour, zu bewähren. Die Mücken schwirren zwar um uns herum, ziehen aber meistens
angewidert weiter. Für ihren Geruchssinn scheinen wir fürchterlich zu stinken. Hoffentlich
Also meine Befürchtungen, dass der Alaska Highway überlaufen wäre, treffen zumindest
zwischen Watson Lake und Whitehorse, nicht zu. Im Prinzip ist er ähnlich leer wie der
Cassiar Highway. Gerade Teslin passiert. Vorher mussten wir über eine Brücke, wo mir
angst und bange wurde. Die Fahrbahn auf dem Bauwerk bestand aus einem Metallgitter.
So etwas hatten wir schon öfters erlebt, es muss irgendwelche mir unbekannten Vorteile
für diese Bauart geben. Das Gitter war jedenfalls nass und mein Auto eierte plötzlich
unkontrollierbar nicht nur vorwärts, sondern auch zur Seite. War sehr froh, als ich wieder
festen Boden unter den Rädern hatte. Wahrscheinlich gab es nicht erkennbare Spurrillen im
Metall. Unangenehmes Erlebnis. Wundere mich, wie die anderen Fahrzeuge schadlos darüber
kommen. Vielleicht ist alles nur eine Frage der Gewöhnung. Bremsen hätte man jedenfalls
darauf nicht gekonnt.
Monika:
15.30 Uhr: Wieder einmal sind wir zufällig auf einem sehr schönen Campingplatz
gelandet, nicht weit hinter Johnson Crossing, etwa 80 km vor Whitehorse. Ein Naturplatz,
auf dem man sich nach Belieben den Standort aussucht. Danach füllt man ein Formular aus,
Namen, Adresse, Autonummer – also Helmecke, Genthin, Germany, BKAH 718, steckt 12
CAD in den kleinen Umschlag, schiebt diesen in den Schlitz und darf dann beruhigt zelten.
Das sind die FEE-Plätze, die wir inzwischen sehr zu schätzen wissen.
Unser heutiger Platz liegt am Ende des Teslin Lake, etwas oberhalb, man erreicht den
See aber von unserer Zeltstelle mit wenigen Schritten. Das Wasser wirkte per Handprobe
kühl, trotzdem entschloss ich mich zu baden. Schließlich wird es gen Norden immer kälter
werden. Muss ich es also jetzt noch ausnutzen. Dazu wehte ein heftiger Wind, der mir gerade
meine losen Blätter vom Tisch geweht hat, so dass ich ihnen bis fast zum See hinterher laufen
musste.
Der Untergrund des Sees war hell, also Sandstrand stellte ich erfreut fest, entkleidete
mich ganz, schließlich waren wir allein auf dem Platz. Der schöne Sanduntergrund erwies
sich leider als grundloser Schlamm, so dass ich mich nur ins Wasser gleiten ließ und sofort
zu schwimmen begann. Dann war es schön, obwohl der Wasserstand höchstens einen Meter
betrug, und es einfach nicht tiefer wurde, so oft ich vorsichtig meine Füße nach unten ließ.
Trotzdem genoss ich das kühle Bad und das Schwimmen hinaus auf den See, das erste Mal
in einem kanadischen See. Derweil hatte Ma das Zelt aufgestellt und das Feuer angezündet.
Hier gibt es wieder Gratisholzkloben, dazu suchen wir uns zum Anmachen kleines Holz und
Kienäpfel. Als Krönung gab’s heute gebratenen Schinken mit Eiern. Und weil es uns beiden
so gut schmeckte, brieten wir das Ganze noch einmal. Wir fühlten uns wie die Könige.
Eigentlich hatten wir ein paar Kilometer vorher anhalten wollen, wo es, laut Reiseführer,
leckeren gebackenen Lachs geben sollte, dazu für die Esser eine kostenlose Bootsfahrt mit
Erzählungen der Lebensgeschichte der Gastgeber und sogar noch einen Gratiscampingplatz.
Wir leckten uns schon die Lippen in Gedanken an gebackenen Lachs. Leider prangte davor
ein großes Schild – CLOSED. Ob für immer oder nur während der Ferien, war nicht zu
ersehen. Aber nach der ersten Enttäuschung bereuen wir nicht, hier gelandet zu sein. Wir sind
satt und zufrieden.
Jetzt sind noch mehrere Campingbusse (es scheint hier fast nur solche Maxifahrzeuge
zu geben) auf dem Zeltplatz angekommen, aber von hier aus nicht zu sehen. Wir sind die
einzigen direkt am See. Die anderen bleiben im Wald. Merkwürdig.
Es ist erst 18.00 Uhr. Was machen wir mit dem angebrochenen Nachmittag? Die einzigen
Attraktionen hier sind ein Plumpsklo und etwas entfernt eine Pumpe zum Waschen. Ziemlich
spartanisch, aber das Klo ist sehr sauber, wird offenbar täglich gereinigt. Also Karten
geschrieben, schließlich sollen die Daheimgebliebenen gebührenden Anteil an unserer Reise
nehmen.
Gleich nebenan ist ein Platz mit Steg, wo man Boote ins Wasser lassen kann, was auch
jemand tat. So hatten wir was zu beobachten.
Ich muss doch noch mal ein Loblied auf die kanadischen Campingplätze singen. Jeder
Platz ist so geräumig, dass der Nachbar meist nicht zu sehen ist. Er besitzt einen Tisch
mit zwei Bänken, dazu eine Feuertonne, in der man gefahrlos Holz verbrennen kann,
auch im Wald. Darüber liegt in der Regel ein Rost zum Grillen. Wir stellen immer unsere
Pfanne, den Topf oder beides darauf und es geht sehr schnell zu braten oder etwas warm zu
machen. Man braucht also nicht unbedingt einen Kocher. Im Gegenteil, so hat man zwei bis
drei „Flammen“ zur Verfügung und hinterher bleibt das Feuer, um die Seele zu erwärmen. . .
27.7. Monika:
Unsere Straße folgt jetzt direkt dem Muncho Lake, eine Landschaft wie
in Norwegen, wenn man an einem Fjord entlang fährt. Dennoch muss ich feststellen, dass
Kanada keineswegs, wie oftmals behauptet wird, mit diesem zu vergleichen ist. Es sind
die Größenordnungen, die beide Länder unterscheiden. Norwegen erscheint mir wie eine
landschaftliche Miniatur, Kanada das wirkliche Original!
Wir begegnen einer Gruppe Bergschafe. Dabei hielten wir gerade erst und haben einige
Fotos von einer Bisonherde gemacht. Dicht neben dem Highway grasten sie. Der Bulle war
ein besonderer Fleischbrocken. Mit dem möchte man nicht zusammenstoßen .
Dachte soeben, erneut einen Bären zu sehen und veranlasste Ma zu bremsen. Es war
aber nur ein Gummibär. So nennen wir die abgefahrenen Reifen, die ziemlich zahlreich und
manchmal total zerfleddert neben der Fahrbahn im Gras liegen. Aus der Ferne kann man das
schon verwechseln. Knurrend geht es weiter.
Die Wilddichte in dieser Umgebung ist einfach unglaublich. Ich protokolliere spaßeshalber
die Begegnungen.
17.27: zwei Karibus,
17.31: ein Elch,
17.41: ein Karibu,
17.53: ein Schwarzbär,
18.07: eine Herde Bergschafe,
18.12: abermals Bergschafe,
18.20: ein kleiner Schwarzbär,
18.35: ein Wapiti,
18.39: ein Karibu,
18.45: eine kleine Herde von Bergschafen mit Jungen,
18.50: ein Wapiti,
18.56: ein junger Mann mit Stopp-Schild.
Der freundliche Mensch meinte, wir müssten 20 bis 25 Minuten auf das Pilotauto warten. Und
dabei sind es noch 2 Stunden bis zum Zeltplatz. Wir benötigen heute unbedingt Strom für den
Fotoapparat, also braucht es einen Service-Zeltplatz oder ein Motel. Ich hab gerade gesehen,
dass hinter Watson Lake sich die Zeit wieder von Pazific Standard zur Mountain Standard
geändert hat, es heißt also, die Uhr eine Stunde vorzustellen. Es ist somit schon nach 20.00
Uhr. Immer dieser Stress!
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