19. 9. Donnerstag:

Manfred: Welch wunderschöner Tag! Um 6.00 Uhr aufgewacht. Dachte zuerst, es wäre ein Nebeltag. Dabei waren nur die Fensterscheiben beschlagen. In der Nacht gab es den ersten Frost, Temperatur zur Zeit: -1° C. Alles war weiß, dazu sehr klare Luft und rosa Sonnenschein auf den uns gegenüberliegenden beschneiten Bergen. Rannte sofort mit Fotoapparat ans völlig ruhige, spiegelglatte Wasser. Jan Harald, der wie immer um 6.40 Uhr mit dem Auto zur Arbeit fuhr, guckte ganz erstaunt.

Auch der Heringsfang war sehr erfolgreich. Etwa zwei Zentner holten wir aus dem Wasser und pulten jeden Fisch einzeln aus dem Garn. Eine harte und anstrengende Arbeit, besonders wenn die Finger immer steifer werden. Außerdem verfingen sich viele Feuerquallen, die hier bis zu einem Meter Durchmesser erreichen, im Netz. Mir brennen trotz aller Vorsicht unangenehm die Hände. Man muß sehr aufpassen, nicht unbedacht mit den nassen Händen das Gesicht oder gar die Augen zu berühren. Eine einzige Erfahrung ist für mich ausreichend. Um 9.00 Uhr waren alle Arbeiten erledigt, und es ging zum Kaffee trinken. Ein tolles Gefühl, sehr viele Kilo besten Essens geerntet zu haben. Ernten, ohne zu säen, nur etwas Mühe muß man sich geben.

Gerade vom Dorsch- und Flundernfischen mit Ivar zurück. Die See blieb so ruhig, und wir versuchten, mit langen Spießen im nur 5 m tiefen Wasser Plattfische zu stechen. Es waren nur wenige vorhanden, also fingen wir Dorsche. Ich hatte Glück und erwischte den Größten von immerhin 7 kg. Dazu kamen noch 10 Fische mit jeweils über 4 kg. Das Tollste war und blieb aber die grandiose Natur auf Senja. Der Frost färbte offenbar die unzähligen Birken auf den Hängen ringsum über Nacht noch ein bißchen stärker. Alles strahlte in gelben und roten Farbtönen, darüber ein pastellblauer Himmel mit draufgetupften weißen Wolkenstreifen. Ach ja, das Grün der Nadelbäume ist auch da und rundet das Ganze ab. Dazu die unglaubliche Stille, und das ganze sichtbare Panorama verdoppelt sich noch im spiegelnden Wasser. Eigentlich unglaublich, daß es mir vergönnt ist, diese Schönheiten zu sehen, zu fühlen und daß ich wirklich zumindest für ein Jahr dazugehören soll. Wen wunderts, daß ich mich völlig überdreht fühle. Ich eile durchs Haus, möchte keine Minute des Tages draußen verpassen.

 

17. 10. Donnerstag

Monika: ... Jetzt wäre es wohl an der Zeit, einmal aufzuschreiben, was wir alles aus Deutschland mitgenommen haben. Eine Insel mit Komfort, zu der wir zweimal, also mit zwei Autoladungen voll gefahren sind. Da aber der Platz trotzdem beschränkt war, mußten wir genau überlegen. Also für jeden einen Koffer voller Kleidung für Winter und Sommer, dann Lebensmittel, die hier schwer zu beschaffen und sehr teuer sind. Das waren eingefroren: 3 Hühner, 2 kg Kaßlerbraten, 3 kg Kaßlerrippchen, 12 Bockwürste, 12 Bratwürste, 30 Wiener, 8 Knacker, 3 mal Hühnerfrikassee, 4 mal Schmurgel, 3 x Speckenden, 1 Kaninchen, 2 x Suppenfleisch, 4 x Schnittkäse, 6 x Schmalz, 3 x Käseecken, 8 harte Würste, 4 Packen Cabanossi, 1 x Spinat, 3 x Grünkohl, 3 Tüten Dill, 1 x grüne Bohnen, 4 Tüten grüne Erbsen, 6 x Johannisbeeren, 10 x Erdbeeren, 2 x Kirschen, 7 x Apfelmus. Hinzu kommen eine Einkaufstasche voller Tütensuppen (etwa 50), 30 Tafeln Schokolade, 3 große Tüten Bonbons, 3 x Pistazienkerne, Tüten mit Nudeln, Reis, Linsen, Erbsen, Bohnen, 10 Büchsen Wurst, 50 Büchsen Bier, 6 Tüten Wein, 8 x Zitronenkonzentrat, 7 Flaschen Sonnenblumenöl und aus dem Duty Free shop der Fähre: 4 l Stroh-Rum (80%ig), 1 l Wodka, 1 Fl. Eierlikör, 1 l Kognak. Es hört sich viel an, sieht viel aus. Alles zusammen muß für 3 Personen (und als Gastangebot für etwa 4 Nachbarn) ein Jahr lang reichen.

Genau überlegt haben wir beim "geistigen Angebot". Welche Bücher? Es würden immer zu wenig sein. Herausgekommen sind dann: Chronik der Erde (schön dick), Der große Kulturfahrplan (auch sehr voluminös), Die Bibel, Sternbildatlas, Das große Buch der Vögel (hat uns schon gute Dienste beim Erkennen der Arten hier geleistet), Gesamtwerk von Theodor Storm (6 Bände), Tolkien: Herr der Ringe. Und noch ein großes Rätselbuch.

Mit den Büchern, die zum Geburtstag dazu gekommen sind und vielleicht zu den nächsten Festen geschenkt werden, müssen wir hinkommen. Ach so, noch eins. Michael bestand darauf, sich selbst einen schönen dicken Stephen King zu kaufen. Naja.

Wichtig war auch die Musik. Sie sollte jeden Geschmack treffen, Michael ausgenommen, der hat sein eigenes Radio, seine eigenen Kassetten, sein eigenes kleines Zimmer. Kommt er zu uns ins Wohnzimmer, muß er hören, was dort läuft. Ich habe noch sehr viele Platten überspielt bzw. überspielen lassen.

Also: Volksmusik aus Deutschland, Andalusien, Irland, Marokko, Nepal, jiddische Klesmermusik, tschechische Blasmusik, russische Zigeunerlieder, nordamerikanische Indianermusik, deutsche Küchenlieder. Schubert-Lieder gesungen von Fischer-Dieskau und Die Winterreise, Chopin: Walzer und Impromptus, Opernarien gesungen von Maria Callas, Bach: Violinkonzerte, Brandenburgische Konzerte, Weihnachtsoratorium, Mozart: Klavierkonzerte, Orff: Carmina Burana, Beethoven: Klaviersonaten, Violinkonzert, Vokalmusik, Vivaldi: Die vier Jahreszeiten und Flötenkonzerte, außerdem Kassetten mit oder von Mahalia Jackson, Ray Charles, Janis Joplin, Tracy Chapmann, Joan Baez, Tom Waits, Mikis Theodorakis, Wolf Biermann, American Folkblues Festival. Zum Abschluß des Jahres können wir vielleicht überall mitsingen.

Folgende Spiele sind mitgekommen: Rommé, Skat, Supercode, Yathzee. Ferner: eine Sopran-, eine Altblockflöte mit Lehrheft, Bandonium, auf dem noch keiner spielen kann, eine Mundharmonika. Wolle zum Stricken eines dicken Pullovers.

 

14. 11. Donnerstag

Michael: Die Schule war heute nicht sehr interessant, nur Sport hat großen Spaß gemacht. Wir haben Volleyball gespielt, und ich konnte es mit einem Mal sehr gut. Um 12.00 Uhr war die Schule aus, weil die Lehrer für mehr Geld demonstrieren wollten. Ich fuhr mit Steinung nach Nymoen. Komisch, wenn der Ort so heißt wie man selber. Da würde ich in Helmecke wohnen!

Dort spielten wir zuerst etwas Skat mit seiner Schwester, holten aber bald das Schneemobil aus der Garage und brachten es in Gang. Wir fuhren zu Dritt hinter dem Haus den Berg hoch. Steinung ist ziemlich schnell gefahren, 60 km/h war das schnellste. So ein Ding soll 160 km/h Höchstgeschwindigkeit haben! Manchmal ist er ziemlich seltsam gefahren. Immer wenn langgestreckte Kurven kamen, hat er sich halb draufgehockt (mit einem Bein) und hat mit dem anderen Bein auf dem Seitenbrett gestanden. Er hat gesagt, daß er das machen muß, weil wir sonst umkippen würden. Weiter oben (etwa 200 m höher) war der Schnee fast 1 m hoch und total weich. Wir sind dort mit dem Scooter tief steckengeblieben. Wir mußten dieses schwere Ding aus dem Schnee ziehen, was sehr viel Arbeit machte.

Geschlafen habe ich gut, zusammen mit Steinungs Katze unter einer Decke. Der Wecker hat 5 Minuten lang geklingelt, bis ich ihn ausgestellt habe. Dann haben wir noch 10 Minuten gemütlich gelegen. Um 10 Minuten nach halb 8 sind wir dann rausgegangen, um auf den Schulbus zu warten. Wir gingen aber schnell wieder rein, weil draußen starker Schneesturm war und man sich kaum auf den Beinen halten konnte. Um 3/4 8 Uhr kam dann das Auto und nicht der Bus. Von der Busgesellschaft wird nämlich eine Frau beauftragt, die die drei Kinder jeden Tag zur Schule fährt. Dafür bekommt sie auch eine Menge Geld. So sind wir trocken und gemütlich hingekommen.

Steinung und seine Geschwister sind immer die Ersten der gesamten Schule und haben deshalb die Schlüssel für die Räume, die sie dann aufschließen. Wir spielten aus Langeweile Fußball in unserm Raum, und ich habe fast alle Blumentöpfe vom Fensterbrett geschossen. Sie sind gerade noch heil geblieben. ...

Die ersten zwei Stunden hatte ich Deutsch in der 9. Klasse. Dabei ist mir aufgefallen, daß es stimmt, was Steinar einen Tag vorher über die Kinder gesagt hat, nämlich daß sie träge und faul sind und nicht zuhören. Sonst war nicht viel los. Nur der Bus ist auf der Heimfahrt ganz schön ins Schleudern gekommen. Er ist immer mehr ausgeschwenkt, bis er von einer Straßenkante zur anderen gekommen ist. Dann war er auf einmal wieder auf der richtigen Seite. Dabei haben wir mindesten drei am Rand stehende Begrenzungstöcke abrasiert.

Dann mußte ich bei starkem Sturm von vorn und bei Hagel und Schnee, der waagerecht kam, 3 km nach Hause laufen. Das war sehr unangenehm. Zum Glück hat mich Vater mit dem armen Hund auf halbem Weg abgeholt.

 

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