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Leseprobe:
20. 3. Freitag: Um 4.30 Uhr klingelt der Wecker, reißt mich
aus unruhigen Träumen. Ein neuer Traum beginnt, wird zur Wirklichkeit. Heute fliege ich
in die USA. Ein Kindheits- und Jugendwunsch, immer für unerfüllbar gehalten, wird wahr.
Alle meine Bewegungen und Handlungen an diesem Morgen kommen mir unwirklich, weich,
schemenhaft vor. Frühstücken mit dem Wissen, am Abend auf einem anderen Kontinent zu
schlafen...
21.3. Sonnabend: Mein erster Spaziergang führt mich, wie immer in fremder Umgebung,
rund ums Haus und rund ums Wohnviertel, nur so, zur Orientierung. Die Häuser werden hier
einfach in den Wald gestellt. Bäume weg, eine Schneise geschlagen, Kanalisation unter die
Erde, eine Straße asphaltiert, Häuser aufgestellt fertig. Vermisse schmerzlich
Fußwege, muß auf der Straße laufen, jedem Auto seitwärts in den matschigen Schnee
ausweichen. Die Insassen der Wagen sehen mich immer ganz erstaunt an, Kinder starren aus
runden Augen aus dem Rückfenster nach mir. Ich falle in dieser gehobenen Wohngegend
sofort als Fremdling auf. Auch aus den Häusern fühle ich mich mißtrauisch beobachtet.
Hier geht niemand zu Fuß ...
22. 3. Sonntag: Eine für mich gesicherte Erfahrung: am schönsten sind Städte am
Morgen. Gang durch Straßen im East-Village. Frische Luft vom nahen Atlantik noch kühl
und klar wie sonst nie. Die leichte Brise vom Meer her spielt mit dem Unrat der Nacht.
Aber Straßenfeger sind schon unterwegs, letzte Nachtschwärmer. Zeitungsverkäufer
preisen die Untaten der vergangenen Nacht. Obdachlose frühstücken mit klammen Händen
auf Treppenstufen in der Morgensonne. Frühstücken heißt hier, mit beiden Händen, damit
ja kein Tropfen verloren geht, eine in der Papiertüte versteckte Flasche zum Mund
führen. In New York ist nämlich öffentliches Konsumieren von Alkohol untersagt. Das
weiß ich heute, noch gestern saß ich am Hundespielplatz und wunderte mich über die
mißbilligenden Blicke der Leute, als ich nichtsahnend eine Büchse Bier austrank. In New
York lernt man schnell, muß man auch ... |
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